Toiletten für alle
»changing places«
Baden-Württemberg

Schwäbisch Hall, 20.02.2017 – Nach Heilbronn hat nun auch Schwäbisch Hall als zweitgrößte Stadt in der Region Franken eine „Toilette für alle“. Damit befindet sich die ehemalige Reichstadt nun auch wieder auf Augenhöhe mit der englischen Partnerstadt Loughborough, die schon lange eine „changing place toilet“ im „Haus der Bildung“ vorweisen kann. Am Montag war es in der Haller Innenstadt soweit.

„Es ist ein kleines Ereignis mit großer Wirkung“, meinte Halls Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim bei der feierlichen Eröffnung. In Schwäbisch Hall zählen Menschen mit Behinderungen ganz selbstverständlich zum Stadtbild. Als er vom Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung (LVKM) angefragt wurde, für erwachsene Menschen einen Ort zum würdevollen Wechseln von Windeln zu schaffen, musste er nicht lange überlegen. Ein geeigneter Standort war schnell gefunden. Das bereits bestehende Rollstuhl-WC in der öffentlichen Toilettenanlage unterhalb des Marktplatzes konnte durch das Entfernen einer Zwischenwand auf etwa 16 qm vergrößert werden. So wurde ausreichend Platz für eine höhenverstellbare Pflegeliege für Erwachsene und einem Deckenlifter geschaffen. Zusätzlich wurde noch ein luftdicht verschließbarer Windeleimer angeschafft. Insgesamt investierte die Stadt rund 12.400 Euro. Das Land gab dazu einen Zuschuss von rund 9.000 Euro.

„Baby-Wickeltische gibt es inzwischen flächendeckend. Die sind aber deutlich zu klein für erwachsene Menschen, die eine Windel tragen müssen“, erläuterte LVKM-Geschäftsführerin Jutta Pagel-Steidl. „Früher hätte man die Menschen hier auf dem Fußboden der öffentlichen Toilette gewickelt. Das empfinden die Betroffenen zu Recht als unzumutbar. Oder sie müssten zuhause bleiben, könnten weder an Hallia Venezia, den Freilichtspielen, dem Kuchen- und Brunnenfest teilnehmen und nicht einmal einen Bummel durch die Altstadt machen.“ Dies sein nun vorbei, den jetzt könne der Windelwechsel bequem auf der höhenverstellbaren Pflegeliege für Erwachsene erfolgen. Und damit der Transfer vom Rollstuhl auf die Liege für die Assistenten rückenschonend erfolgen kann, gibt es zusätzlich den Patientenlifter. Die Betroffenen bringen dazu ihr eigenes Hebetuch von zuhause mit und können so bequem von Rollstuhl auf die Liege und wieder zurück gehoben werden. Auch die Toilette selbst ist mit dem Patientenlifter erreichbar.

Spontan ließ sich Jutta Pagel-Steidl zu Demonstrationszwecken von OB Pelgrim mit Hilfe des Patientenlifters auf die Pflegeliege sowie auf die Toilette befördern. Beeindruckt verfolgten die anwesenden Gäste – Gemeinderäte, Vertreter der Fachschule für Heilerziehungspflege, der Offenen Hilfen des Sonnenhofes sowie des Stadtseniorenrates, die Kreisbehindertenbeauftragte und weitere interessierte Bürgerinnen und Bürger – die zeitraubende Prozedur. Durch die Demonstration wurde zugleich deutlich, weshalb ausreichend Bewegungsfläche vor der Liege und der Toilette wichtig ist. Der Raum ist zudem mit einem Notruf ausgestattet, der direkt mit der Hausnotrufzentrale des örtlichen Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) verbunden ist. So kann im Notfall schnell und unkompliziert Hilfe herbei gerufen werden.

Dass nicht nur Menschen mit komplexen Behinderungen von der „Toilette für alle“ profitieren sondern auch hochbetagte Menschen, davon ist Dieter Breitner, Vorsitzender des Stadtseniorenrates Schwäbisch Hall überzeugt. „Kürzlich habe ich gelesen, dass in Japan bereits jetzt mehr Windeln für Senioren als für Kleinkinder verkauft werden.“

INFO
Die „Toilette für alle“ befindet sich im Gebäude „Am Markt 8“ (Ecke Marktplatz / Neue Straße) und ist mit einem „Euro-Schlüssel“ zugänglich. Die öffentliche Toilettenanlage selbst ist geöffnet von 8 bis 23 Uhr (bzw. im Winterhalbjahr vom 16. Oktober bis 30. April jeweils von 8 bis 20 Uhr).

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