Toiletten für alle
»changing places«
Baden-Württemberg

Großerlach-Grab, 23.10.2020. Der Erholungsort Grab im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald punktet seit kurzem mit einem besonderen Serviceangebot. Mit der „Toilette für alle“ in der Aussegnungshalle auf dem Friedhof endet für die Friedhofsbesucher als auch für die Ausflügler mit Behinderung am Limes die Suche nach einem „stillen Örtchen“. Tagsüber ist die Rollstuhltoilette, die zusätzlich mit einer höhenverstellbaren Pflegeliege für Erwachsene, einem Wandlifter und einem luftdicht verschließbaren Windeleimer ausgestattet ist, für alle zugängig. Es ist landesweit die erste auf einem Friedhof.

Aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen in der aktuellen Coronapandemie fand die offizielle Freigabe in kleinster Runde statt. Daher trafen sich auf dem Friedhof nur Großerlachs Bürgermeister Christoph Jäger und Grabs Ortsvorsteher Georg Holub mit Jutta Pagel-Steidl und Nina Stockinger vom Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg (LVKM). Der LVKM begleitet im Auftrag des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg Bauherren bei der Umsetzung von „Toiletten für alle“.

„Ein weiterer Schritt in Richtung mehr Barrierefreiheit.“

„Die Anregung, eine „Toilette für alle“ auf dem Friedhof Grab zu schaffen, kam über das Projekt „Inklusive Wanderbotschafter im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald“ zustande“, erklärte Bürgermeister Christoph Jäger. „Gesucht wurde ein für Rollstuhlfahrer geeigneter Rundwanderweg. Neben dem rollstuhltauglichen Weg brauchte es auch einen geeigneten Wanderparkplatz, eine Toilette und eine Einkehrmöglichkeit nach der Tour.“ Die Planung, Umsetzung und Finanzierung war nicht ganz einfach, räumte Bürgermeister Jäger ein. Schließlich galt es, die unterschiedlichen Vorgaben unter einen Hut zu bringen. „Wir haben den bisherigen Abstellraum in der Aussegnungshalle umgebaut, um so die geforderte Raumgröße zu schaffen.“ Nur dank der Zuschüsse aus dem EU-Förderprogramm LEADER sowie aus dem Förderprogramm „Toilette für alle“ des Ministeriums für Soziales und Integration konnte die finanzschwache Gemeinde das Projekt stemmen. Investiert wurden rund 45.000 Euro in den Bau und die Ausstattung, wofür die Gemeinde rund 24.000 Euro Zuschuss erhielt. „Wir sind nun einen Schritt weiter in Richtung mehr Barrierefreiheit auch in ländlichen Regionen“, so Jäger.

„Weit mehr als eine Rollstuhl-Toilette“

Eine „Toilette für alle“ ist weit mehr als eine Rollstuhl-Toilette“, erläuterte Jutta Pagel-Steidl, LVKM-Geschäftsführerin. „Sie ist ausgestattet mit einer höhenverstellbaren Pflegeliege für Erwachsene, einem Patientenlifter für den sicheren Transfer vom Rollstuhl auf die Liege sowie einem luftdicht verschließbaren Windeleimer. Und der Raum muss mindestens 7 qm große sein, um ausreichend Platz für Menschen im Rollstuhl und deren Assistenten zu bieten. Zielgruppe sind Menschen, die inkontinent sind und eine „normale“ Toilette nicht nutzen können. Sie tragen Windeln. Diese müssen unterwegs gewechselt werden. Und dazu braucht man einen menschenwürdigen Ort. Oder wollten Sie auf dem Fußboden einer öffentlichen Toilette, hinter einem Busch oder auf der Rückbank des Autos gewickelt werden?“ Rund 380.000 Menschen seien schätzungsweise landesweit davon betroffen.

„Ich kenne die herrliche Region rund um Großerlach gut. Und dass hier nun eine „Toilette für alle“ an dieser kulturhistorisch einzigartigen und bedeutsamen Anlage geschaffen wurde, freut mich ganz besonders“, so Pagel-Steidl. Die Gemeinde Großerlach habe mit damit einen wichtigen Beitrag für Inklusion geleistet. Niemand unternehme den „Ausflug uns Grüne“, wenn es unterwegs keine Möglichkeit zum Windelwechsel gibt. Die Bedeutung des UNESCO Welterbes Obergermanischer Limes und die Möglichkeit für die ganze Familie, mit Kinderwagen, Rollstuhl und Rollator von Grab zum Limesturm zu wandern, waren die Gründe, weshalb der LVKM den Standort von Anfang an unterstützt hat.

INFO
Die rund 10 qm große Rollstuhl-Toilette in der Aussegnungshalle auf dem Friedhof Grab ist zusätzlich ausgestattet mit einer höhenverstellbaren frei stehenden Pflegeliege für Erwachsene, einem Wandlifter sowie einem luftdicht verschließbaren Windeleimer. Ein Hebetuch ist vorhanden. Die „Toilette für alle“ ist täglich von 7 bis 22 Uhr zugängig; ein Schlüssel ist nicht erforderlich.

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