Toiletten für alle
»changing places«
Baden-Württemberg

Unteruhldingen, 25.07.2024 – Die Pfahlbauten am Bodensee sind ein beliebtes Ausflugsziel für die ganze Familie. Jährlich kommen rund 300.000 Gäste. Im Juni wurde das Neue Museum eröffnet. Es birgt neue Ausstellungsräume zum Weltkulturerbe, ein modernes Besucherzentrum, setzt aber auch in Hinblick auf Barrierefreiheit und Inklusion neue Maßstäbe. Ganz selbstverständlich wurde daher auch eine „Toilette für alle“ eingeplant. Es ist landesweit die 100 – wahrlich ein Grund zum Feiern!

Weltkulturerbe Pfahlbauten für alle Menschen barrierefrei erlebbar

„Im Wissen darum, dass in Deutschland rund 10 Prozent der Bevölkerung einen Schwerbehindertenausweis haben, versucht das Museum seit Jahren, Schritte zur Verbesserung zu unternehmen“, so Museumsdirektor Prof. Dr. Gunter Schöbel vor den Gästen der Eröffnungsfeier, darunter auch der ehemalige Weingartener Oberbürgermeister Markus Ewald sowie der örtliche FDP-Landtagsabgeordneter Klaus Hoher. Einer dieser Schritte ist die neue „Toilette für alle“, auf die viele Menschen mit komplexen Behinderungen angewiesen sind. Sie brauchen einen Ort, an dem Inkontinenzartikel unter menschenwürdigen Bedingungen gewechselt werden können. Andernfalls bleiben sie lieber daheim. Bei uns sind alle willkommen.“ Mit der neuen Museumskonzeption sind jetzt attraktive Teile des Museums, der Museumshof mit Ruheplätzen und der Steinzeitparcours für alle leichter erreichbar. So trage das Museum dazu bei, die Bodenseeregion zu einem inklusiven Urlaubsziel zu machen.

Ein wichtiger Meilenstein: die 100. Toilette für alle in Baden-Württemberg

Ohne eine „Toilette für alle“ können Menschen mit komplexen Behinderungen, die inkontinent sind und keine „normale“ Rollstuhltoilette nutzen können, weder Kultur erleben noch das Weltkulturerbe Pfahlbauten besuchen – und ihre Familien auch nicht“, bestätigte Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper-und Mehrfachbehinderung bei der Eröffnung. „Mit vollen Hosen kann man nicht teilhaben.“ Das Thema Inkontinenz sei oft mit Scham behaftet und daher spreche kaum jemand darüber. Sie freue sich „wie Bolle“ über die „Toilette für alle“ in den Pfahlbauten, zumal es landesweit der 100. Standort sei und damit ein besonderer Grund zum Feiern. Einige Familien seien daher gerne der Einladung gefolgt, um diesen Meilenstein mitzufeiern.

Bundesweit einmalig fördere das Land Baden-Württemberg die erforderliche Zusatzausstattung einer „Toilette für alle“ mit 90 Prozent. Dies sei eine Freiwilligkeitsleistung, denn in Deutschland seien Pflegeliege, Patientenlifter und luftdichter Windeleimer nicht Pflicht – im Unterschied zu England. Im Falle der Pfahlbauten beteilige sich das Land mit rund 11.500 Euro. Sie dankte Museumsdirektor Prof. Dr. Schöbel für seinen persönlichen Einsatz für eine umfassende Teilhabe. Es habe keine Überredungskünste gebraucht, um die Pfahlbauten für eine „Toilette für alle“ zu begeistern. „Es ist aber noch viel zu tun“, so Pagel-Steidl, „um flächendeckend ein Netz von „Toiletten für alle“ zu erreichen. In dieser Hinsicht sind die Pfahlbauten, aber auch die Insel Mainau als Vorreiter zu nennen.“ „Der Landeszuschuss für die „Toilette für alle“ ist wirklich gut angelegtes Geld“, sind sich alle Gäste der kleinen Eröffnungsfeier einig. „Es ist ein konkreter Beitrag zur Teilhabe.“

„Einfach eine feine Sache“

Mit großem Interesse und teils staunend folgten die Gäste Inklusionsbotschafterin Maike Riegler und ihrer Mutter Petra in den Sanitärraum, um sich die Funktionsweise zeigen zu lassen. Mit geübten Handgriffen legte Petra Riegler ihrer Tochter im Rollstuhl das mitgebrachte Hebetuch an, bevor es rückenschonend mit dem Patientenlifter vom Rollstuhl in die Höhe und weiter auf die Pflegeliege ging. „Das ist einfach eine feine Sache. Es ermöglicht uns als Familie, entspannt unterwegs zu sein.“ Unmittelbar nach der offiziellen Vorführung traf Pagel-Steidl auf Besucher im Rollstuhl aus der Schweiz, die ebenfalls ganz begeistert waren. „Zuhause haben wir auch einen Patientenlifter. Aber dass eine öffentliche Toilette mit Patientenlifter und Pflegeliege ausgestattet ist, das sehen wir hier zum ersten Mal. In der Schweiz gibt es das nicht.“

INFO
Die knapp 8 qm große Rollstuhl-Toilette ist zusätzlich ausgestattet mit einer höhenverstellbaren Wandklappliege für Erwachsene, einem Deckenlifter und einem luftdicht verschließbaren Windeleimer. Die Toilette ist mit Euro-Schlüssel während der Öffnungszeiten der Pfahlbauten zugänglich.

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